«Syt dihr öpper oder nämet dihr Lohn?» Diesen Satz, Elisabeth de Meuron zugeschrieben, zitierte ich in meinem März-Blog. Lohn nehmen – mit dieser Formulierung gab die Berner Patrizierin zum Ausdruck, was sie von Leuten hielt, die gegen Bezahlung einer Tätigkeit nachgehen mussten. Sie selber hatte das nicht nötig.
Unlängst diskutierte die Wirtschaftskommission des Ständerats eine Liberalisierung des Arbeitsgesetzes (das Vorhaben ist mittlerweile sistiert als Folge der Proteste im Rahmen der Anhörungen). Einer der Ständeräte erdreistete sich damals zu behaupten, ohne Arbeitgeber würde es keine Arbeit geben; im Sinne von: seid froh, geben wir euch Arbeit.
Äxgüsi, Herr Ständerat, die Sachlage präsentiert sich andersrum: Wäre da niemand, der die Arbeit machen würde, die in Ihrem Betrieb anfällt, könnten Sie den Laden schliessen. Und deshalb habe ich ein Problem mit dem Begriff Arbeitnehmer und mit Arbeitnehmerin ebenso.
Wir nehmen keine Arbeit, wir leisten etwas! Nachzulesen ist das bereits bei Bertolt Brecht: Das siebentorige Theben wurde nicht von Königen gebaut, sondern von Arbeitern oder, noch wahrscheinlicher, von Sklaven*.
Die heutige Arbeitswelt in der Schweiz als Sklavenmarkt zu bezeichnen, ist übertrieben. Denn grundsätzlich ist es so: Ich stelle meine Arbeitskraft zur Verfügung und im Gegenzug habe ich Anspruch auf ein Entgelt. Ob dieses ausreichend und fair ist, das wiederum steht auf einem anderen Blatt.
Wann hat das eigentlich angefangen mit der Arbeitnehmerei? Als ich meine erste Stelle antrat, wurde ich noch als Angestellte bezeichnet. Angestellte – ein sehr neutraler Begriff. Er sagt lediglich aus, dass ich nicht selbstständig erwerbend bin, sondern, eben, angestellt. In Österreich werden Angestellte gerne auch unselbständig Beschäftigte genannt.
Ganz Linke wiederum – etwa die Redaktion der marxistisch orientierten deutschen Tageszeitung «Junge Welt» – benutzen konsequent den Begriff Lohnabhängige.
Im Frühling 2020 leistet das Spital-Personal Extra-Schichten, um zu verhindern, dass Menschen am Corona-Virus sterben. Diese Mitarbeitenden werden als systemrelevant bezeichnet. Werden sie dafür extra entschädigt? Weit gefehlt. Die Ruhezeiten werden gelockert, aber die finanzielle Anerkennung bleibt aus. So geht das nicht!
Wie geht es dann?
Statt sich an missverständlichen Begriffen abzuarbeiten gleich Revolution machen? Da ist mir beziehungsweise uns der Preis dann doch zu hoch.
Also mit Geduld weitermachen: Wörter hinterfragen, auf den Kopf stellen, damit spielen, ignorieren, weiter denken, neue Begriffe erfinden, nachdoppeln, Freude haben an der Vielfalt, listig sein. Steter Tropfen höhlt den Stein.
*Brecht, Bertolt: Fragen eines lesenden Arbeiters