Unlängst bin ich über das Wort Liebhaber gestolpert. Nicht eigentlich über das Wort an sich, sondern, was damit verbunden wird.

Was ist ein Liebhaber? «Ein Mann, mit dem eine verheiratete Frau ausserhalb ihrer Ehe eine sexuelle Beziehung hat», so lese ich. Als Synonyme werden unter anderem aufgeführt: Galan, Gespiele, Lover, Casanova. Die Anwendungsbeispiele zeigen umgehend, was gemeint ist: «Den Geräuschen nach zu urteilen, hat die Frau aus dem zweiten Stock schon wieder einen neuen Liebhaber» oder «Frau Schmid hat einen Liebhaber nach dem anderen». Ich wähne mich in einem zweitklassigen Theaterstück, aber die das schreiben, meinen es offenbar ernst.

Frage: Was ist denn mit lieb haben? Wie kann es sein, dass so etwas Schönes so abschätzig gebraucht wird beziehungsweise eindeutig negativ konnotiert ist? War das immer so?

Auf Wikipedia findet sich der Hinweis «Die Bedeutung umfasst in älterer Zeit zum Teil auch die nichtsexuelle, aber erotisch gefärbte Beziehung zu einem Verehrer, der einer Dame des Adels oder gehobenen Bürgertums regelmässig seine Aufwartung macht.» Hmm.

Hilft der Begriffsursprung weiter? Liebhaber gehe auf das mittelhochdeutsche Liephaber (= Liebender, Freund) zurück, das sich aus dem mittelhochdeutschen liep haben entwickelt hat.

Weitere Bedeutungen des Wortes Liebhaber gehen denn auch in diese Richtung: Ein Liebhaber sei «ein Mensch, der einer Sache grosse Liebe und/oder Faszination entgegenbringt» – also etwa der Musikliebhaber. Aber aufgepasst: Im Bereich der Künste wird der Liebhaber schnell zum Dilettanten oder Amateur.

Und wie sieht es mit dem Geliebten aus? Da steckt ja auch die Liebe drin. Manchmal wird Geliebter in der Tat als Synonym zu Liebhaber gebraucht. Geliebter sei die «innigere Bezeichnung» finde ich in einem Forum, und könne auch als Anrede gebraucht werden, Liebhaber lege das Gewicht eindeutig auf die sexuelle Seite.

So muss ich zum Schluss kommen, dass man im europäischen Kulturraum zwar Beziehungen ausserhalb einer bestehenden Partnerschaft verurteilt, jedoch mit einem schönfärberischen Wort versieht – auch das französische amant, das italienische amante und das englische lover unterscheiden sich dahingehend nicht von der deutschsprachigen Auslegung. (Wer weiss, womöglich ist das im fernen Osten, im südlichen Afrika oder in Mittelamerika anders? Das habe ich noch nicht untersucht – vielleicht wissen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mehr darüber?)

Mir persönlich wäre es allerdings andersrum lieber. Ein schönes Wort (lieb haben) dafür verwenden dürfen, dass frau sich auf andere Menschen einlässt, obwohl sie eine Partnerschaft führt.

Ja, und dann sind da noch die verschmähten Liebhaber. Und diejenigen, die nicht geliebt werden wollen. Aber da ist es wie mit den Geschenken – die macht frau auch nicht, weil sie ein «danke» erwartet, sondern, weil sie jemandem Freude machen möchte. Mit der Liebe und dem lieb haben ist es ebenso.

PS:
Das erinnert mich an ein anderes Anwendungsbeispiel: «Der Liebhaber der Baronesse spielt jede Nacht stundenlang vor ihrem Fenster auf der Laute.» Was mich wiederum an die bedauernswerten mittelalterlichen Minnesänger erinnert. Mit dem Minnelied wandten sie sich an eine unerreichbare Frau.

Ich, für meinen Teil, habe kein Talent zur Minnesängerin.

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