Fröhlicher die Kassen nie klingeln als in der besinnlichen Weihnachtszeit. Nicht erst seit dem Schwarzen Freitag wird um die Kundinnen und Kunden gebuhlt. Köstlich sind nicht nur die Delikatessen, die angeboten werden, köstlich waren dieses Jahr die Plakate des Discounters, der sich lustig machte über die Rabatt-Schlachten der Konkurrenz («wer am Black Friday die Preise senkt, ist während des Jahres zu teuer» oder so ähnlich). Corona hin oder her, ich als potenzielle Kundin kann immer noch selber entscheiden, ob ich mich ins Getümmel stürzen will oder nicht. Ich will nicht und werde mich deshalb am kommenden Montag in die Berge zurückziehen und erst nach Neujahr wiederauftauchen.
Seltsam berührt es mich indes, wenn ich als Bewohnerin einer Stadt von der Verwaltung als Kundin bezeichnet werde. Ich bin doch bloss eine Einwohnerin oder meinetwegen (Stimm)Bürgerin oder Steuerzahlerin. Aber doch keine Kundin! Weder habe ich mich mit meiner kommunalen Verwaltung auf eine Geschäftsbeziehung geeinigt noch erwerbe ich ein Produkt. Ich wohne da, wo ich wohne, bewusst gewählt zwar, aber damit hat es sich. Ich interessiere mich auch dafür, was in dieser Stadt läuft. Und schätze es, wenn man mich leben lässt, so wie ich will.
Vor Jahren warf mich ein Arzt alter Schule aus seiner Praxis, weil ich mich erdreistet hatte, ihm eine Frage zu stellen. Heute erkundigt sich meine Hausärztin: «Sind Sie damit einverstanden, dass wir diese Untersuchung durchführen?» Trotzdem sehe ich mich als Patientin und hadere manchmal mit der Geduld, über die ich nicht verfüge (in Patient steckt das lateinische patientia, die Geduld). Mittlerweile bezeichnen Krankenhäuser, die sich der Diktatur des Qualitätsmanagements unterworfen haben, ihre Patientinnen allerdings als Kundinnen. Da wundere ich mich: Habe ich etwa gewählt, krank zu werden? Oder möchte ich eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, für ich die abschliessend bezahle? Nein, ich möchte bloss so schnell wie möglich wieder gesund werden, nach einer Operation nach Hause gehen. Aber: Im besten Fall möchte ich als Mensch behandelt werden und nicht als Organ.
Wenn ich der Pressemitteilung einer öffentlichen Bibliothek entnehme, dass die Kundinnen und Kunden neu mehr Flexibilität für individuelles und kooperatives Arbeiten durch variable Sitzgruppen etc etc erwartet und wenn dann auch noch von einem stilvoll umgesetzten Ambiente die Rede ist, dann bin ich irritiert. Vorbei die Zeit, als ich als Leserin die Bibliothek benutzte. Quizfrage: Was unterscheidet die Bibliothek von einer Buchhandlung? Genau, ich muss nichts kaufen (nichts gegen Buchhandlungen, mehr noch: ein Hoch auf die Buchhandlungen! Kauft Bücher! Gerade jetzt!). Und trotzdem: ich will nicht Bibliotheks-Kundin sein, sondern Besucherin, Gast oder eben, Benutzerin.
(Bild: Tumisu auf Pixabay)