Unlängst las ich in einem Branchenmagazin, wie JournalistInnen mit der Pandemie umgehen, darüber, wie sie den Spagat meistern zwischen Klicks und Informationsauftrag. Und dann dieser Satz: Was waren die Learnings aus der ersten Welle? Im Editorial, geschrieben von der Chefredaktorin! Die Sprachpuristin in mir protestierte: Das geht gar nicht. Worauf ich sie fragte: Was ist denn so schlimm daran? Ich versteh’ doch, was gemeint ist.

So, meinte die Sprachpuristin, stimmt das wirklich? Ich ging also hin und konsultierte Wikipedia: Learning is the process of acquiring new understanding, knowledge, behaviors, skills, values, attitudes, and preferences. Genau. Alles gut also? Aber hallo, rief mir die Sprachpuristin zu: Das ist eine deutschsprachige Zeitschrift. Sie richtet sich an Medienschaffende in der Schweiz. Richtig, fügte ich hinzu: Sie untersucht, analysiert die Branche kritisch, hinterfragt. Die Mitarbeitenden leisten sogar in Kurzarbeit Hervorragendes. Und sie erinnern mit ihrer Art zu schreiben daran, dass solide Sprachkenntnisse nicht von Nachteil sind.

Genug des Lobs, meldet sich die Sprachpuristin ungeduldig zurück. Was wollte uns die Dame denn sagen, als sie schrieb: Was sind die Learnings? Sie zitiert Medienwissenschaftler, die sagen, der Umgang mit Zahlen sei besser geworden, die Berichterstattung differenzierter, (und die auch einiges kritisieren). Sie wollte demnach herausfinden, was aus der Berichterstattung während der ersten Corona-Welle gelernt wurde, was verbessert werden konnte. 

Und weshalb schreibt sie dann nicht: Was lernen wir daraus?Beziehungsweise: Was haben wir gelernt? (Wieder diese Sprachpuristin!) Und nein, sie gibt keine Ruhe, sie holt auch noch Wolf Schneider* hervor, der stets davon abgeraten hat, ein Substantiv zu benützen, wenn sich das Gleiche mit einem Verb besser sagen lässt.

Bevor ich die Sprachpuristin wieder zum Schweigen bringe (schliesslich möchte ich die arme Chefredaktorin nicht als Übeltäterin hinstellen), noch dies: Learning befindet sich in bester Gesellschaft. Sehr beliebt in den Kreisen der ÖffentlichkeitsarbeiterInnen ist zum Beispiel Wording. Statt von Sprachregelung zu reden, wird wieder einmal ein affiges englisches Wort verwendet. Der Begriff Wording wird auch bei Umfragen benützt, dort allerdings für die Frageformulierung, für die Art und Weise, wie Fragen formuliert werden.

Auf das Risiko hin, dass ich mich an dieser Stelle wiederhole (nun ja, das bin nicht ich, das ist die Sprachpuristin): Der Anglizismus eignet sich nur dann, wenn er die Sache schneller auf den Punkt bringt, präziser ist oder besser verständlich. All das ist weder bei Learning noch bei Wording der Fall. (Bildnachweis: Gerd Altmann auf Pixabay)

*Wolf Schneider: Deutsch für Profis, 1999, Goldmann-Verlag

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