Seit ich als 18-Jährige den obligaten Sprachaufenthalt im Vereinigten Königreich absolvierte, gebe ich dem britischen Englisch klar den Vorzug gegenüber dem Amerikanischen. Und ich mag die Spleens der Britinnen und Briten, trotz ihres immer noch verbreiteten Klassendünkels.

Deshalb werden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich nun wohl nicht wundern, wenn Sie von mir erfahren, dass ich bei Homeoffice nicht sofort an das denke, was für viele von Ihnen seit einem Jahr Pandemie bedingt Alltag ist: Die Arbeit von zu Hause aus.

Wenn in Grossbritannien von Home Office die Rede ist, dann ist damit das Innenministerium gemeint – im Gegensatz zum Foreign Office, dem Aussenministerium (das, um genau zu sein, Foreign, Commonwealth & Development Office heisst).

Unlängst rief Ed aus England an. Als ich ihm erklärte, dass er nicht mit meiner Arbeitskollegin sprechen könne, weil sie im Homeoffice sei, trat am anderen Ende der Leitung Stille ein, die ich nicht deuten konnte. Eine halbe Stunde später rief er noch einmal an und verlangte erneut nach besagte Kollegin. Und ich verstand, dass Ed nicht verstanden hatte, was mit Homeoffice gemeint war.

Vor einer Woche wurde in der Schweiz die Homeoffice-Pflicht aufgehoben. Homeoffice-Pflicht. Ein Wort, das man sich am liebsten auf der Zuge zergehen lässt. Oder angeekelt ausspuckt.

Falls, wie bei mir, Letzteres zutrifft, stellt sich die Frage: Weshalb? 

Nicht alle, die ins Homeoffice geschickt wurden, sind Büro-Arbeiter*innen. Also ist office schon mal falsch. Es handelt sich schlicht um die Arbeit zu Hause im Gegensatz zur Arbeit ausser Haus. Für politische Anordnungen allerdings ist die Formulierung die Pflicht zur Arbeit von zu Hause aus umständlich, das leuchtet mir ein.

Deshalb habe ich darüber nachgedacht, ob dafür in der Vergangenheit ein anderes Wort verwendet wurde. 

Da gab es doch den Begriff Heimarbeit, richtig. Aber Heimarbeit geht natürlich gar nicht. Trautes Heim und so. Ganz abgesehen davon, dass Heimarbeit anders definiert wurde: Jemand, meistens eine Frau, arbeitete zu Hause, nähte oder strickte oder bügelte und lieferte das fertige Produkt dann dem Auftraggeber ab – und das alles zu einem Niedrig-Lohn. Heimarbeiterinnen waren jene, die es nicht einmal zu einem Job in der Fabrik gebracht hatten. Kein Wunder will heute niemand mehr ein Heimarbeiter oder eine Heimarbeiterin sein. 

Allerdings: Alle diesen hippen frei schaffenden Menschen, die prekäre Bedingungen akzeptieren – sind das nicht auch Heimarbeiter*innen? Oh nein, das würden die nie so sehen, diese Digitalen Nomad*innen. Sie arbeiten ja auch lieber im Café.

Also doch Homeoffice.

Merkwürdig nur, dass noch vor einigen Jahren, als der Wunsch nach der Arbeit von zu Hause aus von Mitarbeiterinnen aufs Tapet gebracht wurde – ja, damals waren das in erster Linie Mütter, die einen Weg zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie suchten –, die wenigsten Vorgesetzten dafür Gehör hatten. Technisch schwierig machbar, zu viel Koordinationsaufwand etcetera etcetera. 

Und dann kam Corona – und Homeoffice war von einem Tag auf den anderen machbar. Inzwischen werden uns die Vorteile von Homeoffice um die Ohren geschlagen. Und wehe, frau sieht nicht nur Vorteile, dann wird sie in die Schublade «mag keine Veränderungen» gesteckt.

Wie war das gleich? Wer initiierte Homeoffice? Ach, das waren nur die Frauen, die Mütter. Iris von Roten* lässt grüssen!

*Immer noch lesenswert, weil leider immer noch aktuell: Iris von Roten: Frauen im Laufgitter, 1958.

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