Schon öfters, wenn ich ein neues Sprachverbrechen entdeckte, fragte ich mich: Ja, merkt das denn niemand sonst? Muss wirklich immer ich die Nörgeltante spielen?

Unlängst jedoch staunte ich, als ich von Ausdrucksformen las, welche umweltbelastende Mobilität fördern und mir eingestehen musste: Das hatte ich noch nie so gesehen. Weshalb ich diesmal nichts Eigenes zum Besten gebe – denn das muss jetzt einfach unter die Leute!

«Wenn Verkehr ein Fluss ist, dann ist er eine Naturkraft, die nicht zu hinterfragen ist. Dass er von uns verursacht ist, wird unsichtbar. Flüsse folgen der Schwerkraft – nicht aber der Verkehrsfluss! Die Metapher verdeckt, dass Verkehr Treibstoffe verschlingt und Abgase erzeugt.» Das schreibt Hugo Caviola in der Zeitschrift «umverkehRen». Das Publikationsorgan des Vereins umverkehR ist ein Nischenprodukt, weshalb ich mir hier erlaube, noch einige weitere Beispiele aufzuführen.

Man kann Wasser stauen, umleiten, kanalisieren, drosseln und ebenso Verkehr stauen, umleiten, kanalisieren, drosseln. Wasser gibt es in der Form von Eis und Schnee, Verkehr wiederum bildet Blechlawinen. Analog der Redeweise «Wasser bildet Wellen» liest man «Ampeln schaffen grüne Wellen». 

Die verwendeten Metaphern beeinflussen unser Denken über den Verkehr, schreibt Caviola weiter. Wenn Verkehr ein Fluss sei, trage er Automobilist*innen als anonyme Tropfen mit. Deren Verantwortung werde unsichtbar. Und: Gravierende Folgen habe die Flussmetapher für die Verkehrspolitik. Sie lege nahe, Flaschenhälse zu erweitern, Abflüsse und eine zweite Gotthardröhre zu bauen.

Caviola regt an, als Alternative etwa die Maschinen-Metapher zu verwenden. Der Verkehr staut sich dann nicht mehr, sondern klemmt. Und wenn die Maschine Schaden anrichtet, könne man sie drosseln, umbauen oder sogar ausser Betrieb nehmen.

Sage noch eine*r, Sprache sei nur Kosmetik!

Quellen:
Zeitschrift umverkehRen (September 2021, Seite 6)
www.umverkehr.ch
www.sprachkompass.ch
Veranstaltungshinweis:
Verkehrssprache – verkehrte Sprache. Wie der Sprachgebrauch unsere Mobilität mitprägt. 19. November 2021, Bern.
Vorgestellt wird u.a. das Forschungsprojekt Sprachkompass Mobilität (Universität Bern)
Fragen zur Tagung: hugo.caviola@unibe.ch

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